Blut-, Gewebe-, Stammzell- und Organspenden werden zur Versorgung schwerstkranker Patienten am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) immer benötigt. Im Rahmen unserer Adventsaktion „Spenden retten Leben“ rücken wir heute die Gewebespende in den Fokus. Die Gewebespendekoordinatorin der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) am UKR, Sophia Roß, zeigt auf, was ihren Job so wichtig, aber auch spannend macht. Professor Dr. Karin Pfister, Leiterin der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR, erklärt, welche Patienten in ihrer Abteilung auf eine Gefäßspende angewiesen sind.
OP-Kittel, OP-Haube, Schutzbrille, Mundschutz, Handschuhe und Skalpell. Sophia Roß steht in einem Saal in der Pathologie am Universitätsklinikum Regensburg. Sie ist bereit. Vor ihr liegt ein Mensch, 78 Jahre alt, in der vergangenen Nacht am UKR verstorben. Sophia Roß wird ihm, ganz behutsam und mit dem gebührenden Respekt, die Augenhornhaut entnehmen, um damit als Gewebespende einem anderen Menschen die klare Sicht zu erhalten.
“Wir sind in der Öffentlichkeit weniger präsent“, sagt Sophia Roß. Mit „Wir“ meint sie in erster Linie all jene, die sich für Gewebespenden engagieren. Denn die Möglichkeit, nach dem Versterben nicht nur lebenswichtige Organe, sondern auch Gewebe als Spende zur Verfügung zu stellen, ist längst nicht so bekannt wie das Thema Organspende. „Dabei werden Augenhornhaut, Herzklappen, Blutgefäße sowie Knochen, Sehnen und Bänder im täglichen klinischen Einsatz immer benötigt. Sie schenken Menschen Lebensqualität zurück oder sichern sogar das Überleben“, bekräftigt die Gewebespendekoordinatorin der DGFG am Universitätsklinikum Regensburg.
„Zeit ist der entscheidende Faktor, aber mit der Tür ins Haus fallen, geht nicht!“
Der Arbeitstag beginnt für Sophia Roß damit zu überprüfen, ob in der Nacht jemand auf den Stationen des UKR verstorben ist und für eine Gewebespende passend wäre. Medizinische Ausschlussgründe, dazu gehören z.B. Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis oder auch Leukämien, werden mit den Ärzten der DGFG besprochen. Erst dann geht Sophia Roß eine mögliche Spende an und kontaktiert die Angehörigen. Hier ist hohe Sensibilität gefordert. „Natürlich kann ich nicht mit der Tür ins Haus fallen, allerdings muss ich recht zügig zum Kern des Themas kommen und erklären, dass es die Möglichkeit einer Gewebespende gibt, und fragen, ob ein Spendewunsch beim Verstorbenen bestanden hat. Denn zu viel Zeit darf zwischen dem Todeseintritt und der Gewebeentnahme nicht verstreichen.“ Maximal 72 Stunden für eine Augenhornhaut, etwa 36 Stunden für eine Herzklappe und Blutgefäße sowie 48 Stunden bei Knochenpräparaten. „Im Optimalfall verfügt der Verstorbene über einen Organ- und Gewebespendeausweis und hat sich damit auch zur Gewebespende bekannt.“ Eine schriftliche Willenserklärung hilft den Angehörigen in der Entscheidungsfindung. Trotz der Trauersituation und der Tatsache, dass sich die wenigsten Menschen zu gesunden Zeiten mit dem Thema Gewebespende befassen, erlebt Sophia Roß nur selten Ablehnung. „In über 90 Prozent der Fälle sind es sehr angenehme Gespräche, natürlich immer dem Anlass angemessen. Viele meiner Gesprächspartner wissen überhaupt nicht, dass es die Möglichkeit einer Gewebespende gibt und stehen einer Entnahme sehr positiv gegenüber.“ Nicht selten wird sie dann im Laufe des Telefonats auch durch die Angehörigen mit dem Satz konfrontiert: „Sie haben aber einen besonderen Beruf!“ Sophia Roß sieht das als Kompliment: „Ich helfe Menschen, und das macht es für mich aus.“
Im Fall des 78-Jährigen war die Entscheidung klar. „Das ist ein positives Beispiel, dass sich ein Mensch schon vor seinem Tod darüber Gedanken gemacht und seine Bereitschaft zur Gewebe- und Organspende dokumentiert hat. So entlastet man seine Angehörigen in dieser schweren Zeit, denn sie wissen, dass sie das Richtige tun, wenn sie mitteilen können, wie die Person zur Gewebespende gestanden hat. Leider ist das nicht die Regel, was jedoch wünschenswert wäre.“ Nachdem sie dem Verstorbenen das zu spendende Gewebe entnommen hat, erfolgt durch Sophia Roß die Rekonstruktion, so dass die Angehörigen auch am offenen Sarg Abschied nehmen können. „Wir entnehmen den Menschen Gewebe, um anderen Menschen zu helfen. Dabei die Würde der Verstorbenen zu erhalten, ist für uns selbstverständlich.“
Bedarf an Gewebespenden viel höher als Verfügbarkeit geeigneter Präparate
„Patienten mit schweren Entzündungen an der Aorta oder an Arm- und Beingefäßen, kann oftmals nur eine Gewebespende helfen, wenn künstliche Gefäßprothesen oder Gefäßflicken (Patch) entfernt werden müssen“, erläutert Universitätsprofessorin Dr. Karin Pfister, Leiterin der Abteilung für Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg. „Andernfalls ist der operative Aufwand zum Beispiel bei Verwendung einer körpereigenen Vene deutlich höher und belastender für den Patienten.“ Sie kommt häufig mit dem Thema der Gewebespende in Berührung. „Der Bedarf an so genannten Homografts, also an gespendeten Gefäßen, die kryokonserviert, das heißt in Stickstoff eingefroren und haltbar gemacht wurden, ist meist höher als die Verfügbarkeit geeigneter Spenderpräparate.“ In der Gefäßchirurgie werden etwa 15 Gewebetransplantationen pro Jahr bei schweren Gefäßprothesenentzündungen durchgeführt, wobei dieses Krankheitsbild insgesamt gesehen selten, aber lebensbedrohlich ist. Die Abteilung für Gefäßchirurgie ist auf diese Transplantation von Homografts aus Arterien und Venen spezialisiert. Die Voraussetzungen sind dabei von Patient zu Patient unterschiedlich. „Grundsätzlich gilt: je größer das Transplantat, desto einfacher sind die Vorbereitung und die Transplantation. Wir können Arterien und Venen ab einer Größe von etwa drei Millimetern Durchmesser transplantieren. Für eine Aorta benötigen wir dagegen einen Durchmesser von mehr als einem Zentimeter und eine Länge von etwa zehn Zentimetern“, ergänzt Ali Badrouni, Oberarzt in der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR und zuständig für die Entnahme von Gefäßen im Auftrag der DGFG am UKR.
„Die Entscheidung zählt“
Glück hatte auch Katrin S. Die 67-Jährige wurde mit einer Infektion in der Leiste nach mehreren Eingriffen mit Fremdmaterial bei peripher arterieller Verschlusskrankheit ans UKR dringlich mit Verdacht auf eine Blutvergiftung (Sepsis) eingeliefert. Dank dem Einsatz einer gespendeten Arterie konnten nicht nur die Ausbreitung der Infektion und damit das Leben von Katrin S. gerettet werden, sondern auch der Eingriff (Hautwunde) vergleichsweise klein gehalten werden. „Leider gelingt uns das nicht bei jedem Patienten, da zum einen keine passende Gewebespende und zum anderen keine Zeit (zum Beispiel bei Blutung) zur Lieferung aus der Gewebebank vorhanden ist", schildert Professor Pfister die Herausforderungen im Klinikalltag. „Eine Gewebespende ist - wie auch die Organspende - eine sehr persönliche Entscheidung. Durch die Spende nach dem Tod kann anderen Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen geholfen, sogar das Leben gerettet werden. Die Bereitschaft, etwas von seinem Körper herzugeben, ist eine selbstbestimmte und freiwillige Entscheidung, die nur jeder für sich selbst treffen kann. Daher ist es wichtig, zu Lebzeiten klar zu signalisieren und zu dokumentieren, ob man als Gewebe- und Organspender zur Verfügung steht“, appelliert Professor Pfister an die Eigenverantwortung wie auch an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Doch nicht nur in der Gefäßchirurgie werden am Universitätsklinikum Regensburg Gewebespenden verwendet, um das Überleben von Patienten zu sichern. So werden in der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde jährlich etwa 50 Augenhornhäute sowie in der Klinik und Poliklinik für Herz-, Gefäß- und herznahe Gefäßchirurgie werden Herzklappen transplantiert.
Die Gewebespende deutschlandweit in Zahlen
Insgesamt wurden der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation im Jahr 2022 45.864 potentielle Spender gemeldet. In 8.001 Aufklärungsgesprächen mit Sophia Roß und ihre Kollegen stimmten 3.396 Angehörige einer Gewebespende zu. Daraufhin wurden 3.100 Gewebespenden realisiert, 6.679 Gewebe gespendet und 7.168 Gewebetransplantate vermittelt.
Mehr Informationen zu Gewebe-, Organ-, Blut- und Stammzellspende: www.ukr.de/spenden-retten-leben.
Verwendung der Medien ausschließlich im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung
Das Universitätsklinikum Regensburg (UKR) ist ein Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe. Es bietet in 31 human- und zahnmedizinische Kliniken, Polikliniken, Instituten und Abteilungen fast das komplette medizinische Fächerspektrum an und verfügt über 839 Betten sowie 52 tagesklinische Behandlungsplätze.
Ausgerichtet ist das Universitätsklinikum Regensburg auf Hochleistungsmedizin mit besonderem Fokus auf Transplantations- und Intensivmedizin sowie onkologische und kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei der durchschnittlichen Fallschwere („Case-Mix-Index“) liegt das UKR mit an der Spitze der deutschen Universitätsklinika. Neben der Patientenversorgung ist das UKR gemeinsam mit der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg für die Ausbildung von ca. 2.000 Studierenden (Human- und Zahnmedizin) sowie für die medizinische Forschung verantwortlich.
Gemeinsames Ziel aller Mitarbeiter sind die optimale medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten sowie ein wertschätzendes Miteinander im Team.