Wohl kaum eine wissenschaftliche Disziplin hat einen so unmittelbaren Einfluss auf die gesamte klinische Medizin wie die Humangenetik. Die moderne Diagnose, Therapie und Nachsorge vieler Erkrankungen bauen ganz wesentlich auf Ergebnissen molekulargenetischer Diagnostik auf, die am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) in der Humangenetik erfolgt. Der rasante technische Fortschritt auf diesem Fachgebiet nutzt Patienten wie Wissenschaftlern gleichermaßen. Schnelle und präzise Diagnosen ermöglichen passgenaue Therapieempfehlungen, frühzeitige Behandlungen und intensivierte Früherkennung.
Nephrologie, Pädiatrie, Dermatologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin, Herzchirurgie, Augenheilkunde oder Zahnmedizin. Es gibt kaum einen medizinischen Fachbereich am UKR, der nicht auf humangenetische Analysen zurückgreift. Je fortschrittlicher die technische Entwicklung in diesem Spezialgebiet ist, umso mehr profitieren hiervon die Patienten. „Die Humangenetik ist ein Brückenfach. Wir schlagen Brücken zu beinahe allen klinischen und wissenschaftlichen Fachbereichen. Unsere Expertise dient in vielen Fällen als Basis für Diagnose, Therapie und Nachsorge“, erklärt Professor Dr. Bernhard Weber, Leiter des Instituts für Humangenetik der Universität Regensburg und des Instituts für Klinische Humangenetik des UKR.
Die Krankheitsbilder reichen dabei von Netzhauterkrankungen über kardiologische Erkrankungen, wie dem plötzlichen Herztod, bis hin zu chronischen Nierenerkrankungen, die unerkannt zu terminaler Niereninsuffizienz und lebenslanger Dialysepflicht führen können. Gerade die Ursachen erblich bedingter Erkrankungen lassen sich mittels molekulargenetischer Diagnostik individuell bestimmen. „Hier können wir in den allermeisten Fällen eine klinische Verdachtsdiagnose bestätigen oder zurückweisen, da uns heute die meisten Krankheits-assoziierten Gene bekannt sind“, so Professor Weber weiter. „Von etwa 8.000 erblichen Erkrankungen kennen wir bei etwa 80 Prozent die genetischen Grundlagen und wissen bei entsprechenden genetischen Veränderungen um das Risikopotential, die jeweilige Erkrankung und ein gewisses klinisches Spektrum auch tatsächlich zu entwickeln.“ Wir unterstützen damit unsere klinischen Kollegen bei der akkuraten Diagnosestellung und somit bei der Wahl von zielführenden Behandlungsmodalitäten. Zudem können wir je nach Analyseergebnis anregen, weitere Familienangehörige in die Untersuchungen einzubinden, um auch deren Risiken für eine erbliche Erkrankung frühzeitig abzuklären.“
„Auch mit einer vollständigen Analyse des Erbguts eines Menschen können wir nicht das komplette Leben vorhersagen.“
Für junge Paare ist es heute beispielsweise möglich im Rahmen der Familienplanung frühzeitig abzuklären, ob man selbst an einem Gendefekt leidet und mit welchem Risiko dieser möglicherweise auf die Kinder übertragen werden könnte. Auch hilft ein Gentest, um frühzeitig mögliche klinische Ausprägungen, die zum Teil erst später im Laufe des Lebens auftreten, bereits früh medizinisch versorgen zu können. „Nimmt man das Usher-Syndrom als Beispiel, so kann bei betroffenen Kleinkindern eine Innenohrschwerhörigkeit bereits in den ersten Lebensjahren diagnostiziert werden, eine Einschränkung der Sehkraft im Sinne einer Retinitis pigmentosa Netzhauterkrankung manifestiert sich jedoch oft erst in späteren Jahren. Die Humangenetik kann aufgrund eines Gentests frühzeitig erkennen, dass es sich bei einer Verdachtsdiagnose Schwerhörigkeit tatsächlich um das Usher-Syndrom handelt, und mit den behandelnden Ärzten entsprechende vorbeugende Maßnahmen besprechen“, erklärt Professor Weber. Grundsätzlich gilt, dass ein erfolgreicher Gentest möglichst umfassende Informationen zum Krankheitsstatus bei weiteren Familienangehörigen erfordert. „Oft hilft es uns sehr, wenn wir die Familiengeschichte bis in die Großelterngeneration zurückverfolgen können. In diesem Sinne bieten unsere Analysen dann Informationen für die ganze Familie, auch wenn bei allem Fortschritt klar sein muss, dass wir nur gezielte Antworten auf gezielte Fragestellungen unserer medizinischen Kollegen geben können. Generelle Aussagen zu allgemeinen Krankheitsrisiken im Leben, wie Diabetes, Demenz oder Krebserkrankungen, sind in der Regel nicht oder nur eingeschränkt möglich.“
Technischer Fortschritt unterstützt eine schnelle und präzise Diagnoseabklärung bei familiären Erkrankungen
Dass die genetischen Untersuchungen immer umfassender und damit präziser werden, dafür ist unter anderem auch der technische Fortschritt ganz wesentlich verantwortlich. Aktuelle Gerätetechnologien erhöhen Geschwindigkeit und Präzision bei der Genanalyse. Mussten bis vor einigen Jahren potentielle Krankheitsgene noch händisch und damit personell aufwändig sequenziert werden, so verfügt die Humangenetik des UKR heute über eines der modernsten Sequenziergeräte, das in nicht weniger als 48 Stunden bis zu 128 Genome von Patienten Baustein für Baustein aufklären kann. „Dank dieser höchst innovativen Technologie haben wir heute die Möglichkeit etwaige genetische Abweichungen im Patienten in Höchstgeschwindigkeit zu erkennen. Um diesen fundamentalen Fortschritt für die molekulargenetische Diagnostik einordnen zu können, sollte man bedenken, dass die Sequenz des ersten menschlichen Genoms erst im Jahre 2001 zur Verfügung stand, wobei die Arbeiten hierzu 13 Jahre andauerten und die Kosten auf etwa drei Milliarden US-Dollar geschätzt wurden. „Wir streben somit heute eine Genommedizin an, die dem Patienten und dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin eine solide Basis für zielgerichtete Früherkennungsmaßnahmen und mögliche Therapieoptionen bieten“, freut sich Professor Weber.
Aufbau einer zentralen Datenbank
Damit möglichst viele Mediziner und Wissenschaftler deutschlandweit auf einheitliche genetische und standardisierte klinische Daten zurückgreifen können, wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit vor fünf Jahren die Deutsche Genom-Initiative, genomDE, eine nationale Strategie für Genommedizin, gegründet. „genomDE zielt darauf ab, die Grundlagenforschung in der Humangenetik und die Prävention sowie die Patientenversorgung auf einen Nenner zu bringen, um noch besser auf sich verändernde Gegebenheiten reagieren zu können“, resümiert Professor Weber. „Wir am UKR leisten hierzu einen wichtigen Beitrag für die Region der Oberpfalz und Niederbayern, indem wir an einer fünfjährigen Pilotphase, dem sogenannte Modellvorhaben §64e, teilnehmen und die gewonnenen klinischen und genetischen Daten, natürlich unter strikter Wahrung des Datenschutzes, zentral für eine gezielte Forschung zur verbesserten Patientenversorgung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hinterlegen.“
Verwendung der Medien ausschließlich im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung
Das Universitätsklinikum Regensburg (UKR) ist ein Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe. Es bietet in 31 human- und zahnmedizinische Kliniken, Polikliniken, Instituten und Abteilungen fast das komplette medizinische Fächerspektrum an und verfügt über 839 Betten sowie 52 tagesklinische Behandlungsplätze.
Ausgerichtet ist das Universitätsklinikum Regensburg auf Hochleistungsmedizin mit besonderem Fokus auf Transplantations- und Intensivmedizin sowie onkologische und kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei der durchschnittlichen Fallschwere („Case-Mix-Index“) liegt das UKR mit an der Spitze der deutschen Universitätsklinika. Neben der Patientenversorgung ist das UKR gemeinsam mit der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg für die Ausbildung von ca. 2.000 Studierenden (Human- und Zahnmedizin) sowie für die medizinische Forschung verantwortlich.
Gemeinsames Ziel aller Mitarbeiter sind die optimale medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten sowie ein wertschätzendes Miteinander im Team.