Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Klinische Studien in der pädiatrischen Onkologie
Nur wenige Themen der medizinischen Ethik spalten Laien und Mediziner in gleichem Maße schneller in zwei Lager als die Diskussion über klinische Studien bei Kindern. Dabei werden häufig folgende Fragen aufgeworfen: Sind klinische Studien bei Kindern notwendig, und: profitieren Kinder von klinischen Studien? Oder müssen Kinder vor einem experimentellen medikamentösen Einsatz geschützt werden? Hier zeigt sich der Interessenskonflikt zwischen Schutz und Fürsorge von Patienten, die nicht autonom entscheiden können, und dem Recht auch und gerade von Kindern, von der Entwicklung neuer Medikamente ebenfalls profitieren zu dürfen.
Zwei Drittel aller Arzneimittelanwendungen in der stationären Kinderheilkunde werden ohne gesicherte Daten bezüglich Dosis, Verträglichkeit oder Wirksamkeit und ohne formale Zulassung bezüglich Alter, Dosierung und Darreichungsform und damit unter persönlicher Verantwortung des behandelnden Arztes verordnet. Im ambulanten Bereich ist es jedes zehnte Medikament, das „Off-Label“ verordnet wird. In der Neonatologie ist der Anteil mit ca. 90% an nicht-lizensierten Arzneimitteln am größten. Diese Tatsache führte schon im Jahre 1968 zur Prägung des Begriffs „Therapeutic Orphans“ („therapeutische Waisenkinder“).
Diese essenziellen Belange der Pädiatrie wurden lange vernachlässigt. Erst die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte führten zu einem neuen Bewusstsein, das sich in veränderten legalen Rahmenbedingungen klinischer Forschung widerspiegelt. Somit wurden auch die Rahmenbedingungen für klinische Studien insbesondere bei Kindern und Jugendlichen adaptiert.
Therapieoptimierungsstudien stellen seit Jahrzehnten die Grundlage vor allem der klinisch-onkologischen Forschung in der Pädiatrie dar und sind in großem Maße verantwortlich für eine durchschnittliche Überlebensrate von heute über 85%.
Patienten, die in klinischen Studien behandelt werden, profitieren von den modernsten Therapieoptionen, einer Patientenversicherung, einer ethischen Begutachtung über die Rationale einer Studie, einem kollektiven Wissen, das in den Studienzentralen gesammelt wird und vor allem einer sogenannten Referenzbegutachtung, die Fehldiagnosen nahezu vollständig ausschließt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Kinder nicht nur durch eine höhere Anwendungssicherheit von klinischen Studien profitieren, sondern ihnen dadurch auch die Möglichkeit zur Anwendung innovativer therapeutischer Maßnahmen eröffnet wird, die andernfalls volljährigen Patienten vorbehalten bliebe.